ars poetica (4)
Adalbert Stifter:
Die Kunst ist mir ein so Hohes und Erhabenes, sie ist mir … nach der Religion das Höchste auf Erden, so dass ich meine Schriften nie für Dichtungen gehalten habe, noch mich je vermessen werde, sie für Dichtungen zu halten. Dichter gibt es sehr wenige auf der Welt, sie sind die Hohenpriester, sie sind die Wohltäter des menschlichen Geschlechts.
Dazu passt ein Zitat aus dem Roman „Nachsommer“ (1857):
Der Dichter öffnet die Welt der Seele. … Ich habe im Verlauf meines Lebens gelernt, dass die Dichter, wenn sie es im rechten Sinne sind, zu den größten Wohltätern der Menschheit zu rechnen sind. Sie sind die Priester des Schönen, und vermitteln als solche bei dem steten Wechsel der Ansichten über Welt, über Menschenbestimmung, über Menschenschicksal und selbst über göttliche Dinge das ewig Dauernde in uns und das allzeit Beglückende. … Alle Künste sind an einen Stoff gebunden, … nur die Dichtkunst hat beinahe gar keinen Stoff mehr, ihr Stoff ist der Gedanke in seiner weitesten Bedeutung, das Wort ist nicht der Stoff, es ist nur der Träger des Gedankens, wie etwa die Luft den Klang an unser Ohr führt. Die Dichtkunst ist daher die reinste und höchste unter den Künsten.
(Aus: Bunte Steine, Ullstein Verlag Wien, 1947, S. 5.- Der Nachsommer, Winkler Verlag, München 04682/1, S. 296f., 340.)