Karl-Pömer-Preis 2017

Festabend zum Jubiläum „20 Jahre neue mundart“:

Tirolerin gewinnt Karl-Pömer-Preis

Angelika Polak-Pollhammer aus Imst in Tirol hat den erstmals ausgeschriebenen Wettbewerb um den Karl-Pömer-Preis gewonnen. Eine Initiative des Stelzhamerbundes zum 20-jährigen Bestehen der Gruppe neue mundart. Zweite wurde Hildegard Mair aus Prambachkirchen (OÖ) vor Franz Rüdisser aus Schruns (Vorarlberg).

Nur acht Jahre nach Franz Stelzhamers Tod gegründet, bemüht sich der Stelzhamerbund seit 1882 um die Pflege der Mundartdichtung. 1997 rief der ehemalige oö. Landeskulturdirektor und Stelzhamerbund-Obmann Dr. Karl Pömer die Gruppe neue mundart ins Leben, um auch zeitgemäße Strömungen der Dichtkunst zu fördern. Thematisch und formal sollte sich die neue mundart vom Gewohnten abheben, ohne mit der Tradition zu brechen. Dieser schwierige Spagat bedeutete eine große Herausforderung, der sich die „jungen Wilden“ mit Begeisterung stellten.

Keine Scheu vor gesellschaftlich brisanten Themen, scharfe Formulierungen, Abkehr von Reim und Strophenform, die Aussage oft aphoristisch verdichtet – das schürte anfangs auch Widerstand. Heute ist die Gruppe neue mundart etabliert und anerkannt.

Beim Festakt in der OÖ. Landesbibliothek in Linz genau am 20. „Geburtstag“ der Gruppe, dem 26. September 2017, skizzierte Stelzhamerbund-Präsident Klaus Huber in seinem Vortrag „Der weite Weg zur neuen mundart“ die Entwicklung oberösterreichischer Mundartdichtung von mittelalterlicher Minnelyrik bis in unsere Zeit.

Abschließender Höhepunkt des Abends war die Ehrung der Gewinner des neuen Wettbewerbs, zu dem Mundartdichterinnen (bei weitem mehr Frauen!) und Mundartdichter aus acht österreichischen und zwei deutschen Bundesländern rund 300 Gedichte eingereicht hatten. Ein Zeichen für die zunehmende Strahlkraft des Stelzhamerbundes, weit über Oberösterreich hinaus.

Die Jury – Engelbert Lasinger, Walter Osterkorn, Klaus Huber – konnte sich nach langen Beratungen einmütig auf die drei Erstgereihten einigen: Angelika Polak-Pollhammer (Imst, Tirol) vor Hildegard Mair (Prambachkirchen, OÖ) und Franz Rüdisser (Schruns, Vorarlberg). Die weiteren Ränge wurden „ex aequo” vergeben: Dr. Sylvia Bacher (Bad Aussee, Steiermark), Maria Magdalena Höfler (Kapfenberg, Steiermark), Sigrid Birgmann (Seekirchen, Salzburg), Helene Rüdisser (Schruns, Vorarlberg) sowie vier Teilnehmer aus Oberösterreich: Christine Kaltenböck (Sierning), Gregor Riegler (Mauthausen), Angela Ruemer (Schönau), Leopold Schöllhuber (Wilhering).

Die Siegerin: Angelika Polak-Pollhammer, geb. 1974, drei Söhne, lebt und arbeitet in Imst, schreibt in Schriftsprache und Dialekt, zahlreiche Veröffentlichungen, mehrfach ausgezeichnet, Mitglied (u. a.) des Internationalen Dialektinstituts (IDI). Ihre Wettbewerbsgedichte:

zrugg an en absender

wia an brief
grad it nachfragn
was passiert isch
grad it einischaugn
in dia dunkln verreatn ougn
kannt eppes drinn sein
tiaf drinnen versteckt
was gfahrlig isch
kannt eppes sein
was bei uan salber
a loch aureißt
gscheider ohne nach z fragen
alle zrugg
wo se her sein
zrugg

schianer redn set ih

nach dr schrift
nit wia mar s maul gwachsn
nit wia ih s keahrt darhuam
wia ih s glearnt han

s war besser fiar mih
hat r gmuant dr gstudierte
hat mar honig ums maul gschmiert:
du bisch ja kuane von tal
oder oche von barg
kua hinterwaldlerin mit nichts in grint

fascht war ih drau eichegfalln

a feder

liegt voar meine fiaß
nit zun übersehchn
über mir dr adler
ziacht seine kroas
lasst sig von aufwind
tragn
siehcht
jeds no so kluane viehch
da duntn an bodn
sei feder
iatz in meiner hand
ih nimm se mit
mit in mei engs
darhuam

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Hildegard Mair

umreißn

Der Pool kimmt durthi,
der Fitnessraum kimmt daher,
dMansardn kimmt weg
und du kimmst in Heim.

brotlos

Er hat für sein Arbat
nur a Trinkgeld kriagt

und genau für des
hat ers ausgebm.

Soafnblasn

A Kugl voi Nix
mit a glanzatn Haut.
Zum Angreifn zgring,
ohne Sprach, ohne Ghör,
verblasn ins Iatzt.

Blindlings auf und talab,
bis dLeichtigkeit platzt.
Und sHimmelhoch spiaglt
in glanzate Kindsaugn
dkuglate Freud.

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Franz Rüdisser

flüchtlingskin

mötgno
mötko
halt jätz do

a plätzli
a bettli
an tällr voll

ihergschneit
vrblosa
jätz halt do

glärnat (gschnäll)
glachat (wedr)
gläbt (endli)

ossi gwarfa
wäg gwarfa
vrwafra

mötgno: mitgenommen – mötko: mitgekommen – plätzli: Plätzchen – tällr: Teller – ihergschneit: hereingeschneit – vrblosa: verblasen – glärnat: gelernt – gschnäll: schnell – glachat: gelacht – wedr: wieder – gläbt: gelebt – ossi: hinaus – gwarfa: geworfen – vrwarfa: verworfen

dwält isch

vrwundat dwält

muaß ma vrbinda
höfili ganz gaanz

höfili net gnerig
ischt üseri wält

wunda söttni
vrmüjan gschnäll

ääßa kascht net met
bomba oschtächa

dwält: die Welt – vrwundat: verwundet – höfili: vorsichtig – wunda: Wunde(n) – söttni: solche – net gnerig: nicht gut heilend – üseri: unsere – vrmüjan: sich entzünden – ääßa: Abszess – bomba: Bombe(n) – ofschtächa: aufstechen

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Gedichte der „ex aequo“ unter den ersten 10 gereihten Wettbewerbsteilnehmer:

Sylvia Bacher:

ausdramt

wia nåchm kriag
de mistküblstierler
vor da kirchnsuppn
staun si scho die gäst
in der not
tuats a vaschimmelts brot
de tschikstummln ausm rinnstoa
måchns nixtuan erträglicher
im containa find si sicha no
a schluck aus ana bierdosn
de klane då steht scho
seit drei joa bei jedm wetta
mim zeitungsstoß
in di blaugfrurenen händ
deitsch kånns no net
wäus mim reden
zvü kalorien vabrennt
dabei brauchats net vü
a wårms bett a heisl und a dusch
damit se si nimma
am båhnhof durchfrettn muass

 

Maria Magdalena Höfler:

Modern muaßt sein

Stott schreibm tuast tippn,
stott lesn olls sehgn,
va da Wölt muaßt olls wissen –
owa znachst host uf d’ Stroßn
in Nochbarn net kennt.

 

Sigrid Birgmann:

aufsteh

net liegn bleibn
nimma bugln
aufrecht gehen
an Weg suachn
Sorgen in Wind schreiben

Hoffnung

a ausgstreckte Hand annehma
Tränen in Sand strahn
mitnand an Liacht entgegn
an Weg finden
s Brot teiln
stoak werdn

weida gehn

 

Helene Rüdisser: 

a Lächla
arwüscht

gfango
mit don Ougo

küsswis
gfondo

d Luscht
gschmeckt

ondr d Hutt
krocho

Christine Kaltenböck:

Falsche Liab

Lass mih do aus, Papa
greif mih net an, Papa
ih wüll des net, Papa
du tuast mar weh, Papa …

Dassd ja nix sagst,
sunst kemmts ins Heim,
gleih alle drei –
und sie war stüll …

A schwarzer Fleck
is einibrennt
in d Kinderseel
wird allweil bleibm …

Gregor Riegler:

umgebung

meine leut, mei ortschaft
und s laund rundum
sand mei umgebung.

schwa zan sogn
wia weit d’ umgebung geht
und obs ausland a nu dazua ghert
owa oans woaß i sicher:

waunns in tschechien, deitschlaund
oda da slowakei
a atomkroftwerk zreisst
daunn sand mir
in da umgebung!

Angela Ruemer:

Datrunga – Vasunga

De oan san beim Tringa datrunga
De aundan san beim Singa vasunga
Hättn de oan stadn tringa gsunga
warns stadn datringa vasunga
Hättn de aundan stadn singa trunga
warns stadn vasinga datrunga

Leopold Schöllhuber:

Unter Freund

Lass dih doh va die Andern
net oiwei so ausnutzn.
Dann kinnast weit öfter mia helfn.

Mundartdichter waren bei diesem Wettbewerb aufgerufen, drei bis fünf bisher unveröffentlichte Texte einzureichen. Gewertet wurde nicht ein einzelnes Gedicht eines Autors, sein bestes, sondern die gleichwertige Qualität von mindestens drei Gedichten. Eine Herausforderung für die Jury! Wesentlich leichter wäre es gewesen, mehrere einzelne Gedichte auszuzeichnen. Ein paar Beispiele:

Hans Dieter Mairinger (Linz / St. Georgen):

Biachl

Betbiachl, Kochbiachl, Schuibiachl, Gsaungsbiachl, Lesebiachl, Gschichtnbiachl, Büldabiachl, Kindabiachl, lauta schene Biachl, üwarall lingan Biachl.

oille Kastln voill mit Biachl, awa koa Zeit net zum Lesn.

 

Theresia Lindner (Hohenzell)

Familientreffn           

Wann d’ Muattan, d’ Niatn, da Dübe und d’ Beißzang zamkemman

is des a Hamma und trifft an Nagl aufn Kopf.

Ja dann geht’s zua a da Werkzeugkistn.

 

Bruno Mayer (Gramastetten)          

 Vodda

Du woast a Dickschädl

und dei Schädl – längst unta da Erd – is oiwei nu hoat

owa waun i dei Haubm aufsetz

de oide, schiache, gschtrickte, graue Haubm,

wird’s woam

und mei Dickschädl bazwoach

 

Andreas Haider (St. Georgen/Gusen)

Primzoi

Maunche moanan, de Hoamat is a Primzoi –
weils glaum, dass mas net teiln kau.

 

Gerlinde Allmayer (Niedernsill, Salzburg)

Brav

Geh, wous homs denn? Se brauchn ja glei vobeigeh. Koa angst zoagn.
Ganz normal geh, wia wann nix wa.
Kemman s, hiatz tan s scho weida, er tuat eh nix.
Erwachsene hout er no nia bissn.

 

Eveline Mateju (Puchenau)  

         raschln           

         Waunstas raschln net hearst

üwaroscht di da stuarm

 

Hannes Decker (Linz) 

 asül

Aungsd hob ih scho, und eigentlih mechad ih eich olle glei wieder hoamschickn!

Owa daun brauchad ih ab moang koan schpüagü mehr.